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Gemeindeneugliederungsgesetz 2024

Geprüfter Gesetzentwurf: Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2024, zur Anpassung gerichtsorganisatorischer Vorschriften und zur Änderung des Thüringer Gesetzes zur Förderung freiwilliger Gemeindeneugliederungen

Verantwortliches Ressort:
Inneres und Kommunales
Veröffentlichung vom:
25.07.2023
Betroffene Lebensbereiche:
Bildung/Erziehung/Arbeit, Familie, Freizeit/Kultur
Art der Betroffenheit:
junge Menschen als mittelbar Betroffene, junge Menschen als Normadressatinnen und –adressaten
Betroffene Gruppen junger Menschen:
Altersgruppe 10-27, alle Geschlechter, ländliche Lebensmittelpunkte, mit und ohne Beeinträchtigung, alle Lern- und Erwerbsverhältnisse, Auszubildende, Berufstätige, Schülerinnen und Schüler

Ziel des Gesetzentwurfs

Der geprüfte Gesetzesentwurf1 soll das Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2024 (ThürGNGG 2024) einführen.2 Zudem sollen hierdurch notwendig werdende Anpassungen des Thüringer Gerichtsstandortgesetzes erfolgen.3 Das ThürGNGG 2024 dient der Umsetzung der aktuellen freiwillig eingereichten Neugliederungsanträge der Gemeinden, die zur Steigerung der kommunalen Leistungs- und Verwaltungskraft führen sollen.4 Die Regelungen des ThürGNGG 2024 orientieren sich stark an den Regelungen des Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2023 (ThürGNGG 2023).5 Das Gesetz soll am 01. Januar 2024 in Kraft treten, vgl. Art. 3 Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2024 und zur Anpassung gerichtsorganisatorischer Vorschriften.

Zentrale Auswirkungen

Folgende zentrale Auswirkungen wurden identifiziert:

  • Durch die Neuregelung sollen u.a. Ausbildungsverhältnisse aus den aufzulösenden Gemeinden vollständig in andere bzw. neu gebildete Gemeinden eingegliedert werden (§ 14 Abs. 1 und Abs. 2 ThürGNGG 2024). Durch die Übertragung könnte es für betroffene Auszubildende zu einem Wechsel der Ausbilderin oder des Ausbilders kommen. Dies könnte gerade in denjenigen Gemeinden der Fall sein, wo die Beschäftigten der aufzulösenden Gemeinde auf verschiedene Gemeinden aufgeteilt werden (§ 14 Abs. 2 ThürGNGG 2024). Junge Auszubildende könnten durch den Wechsel und den damit ggf. verbundenen Wegfall einer zentralen Vertrauensperson in ihrem Ausbildungsprozess verunsichert werden, was ihren weiteren Ausbildungsverlauf destabilisieren könnte.
  • Durch die Änderungen des Ortsrechts der von der Neugliederung betroffenen Gemeinden (§ 12 Abs. 1 und Abs. 2 ThürGNGG 2024), könnten junge Eltern aus einer sich auflösenden Gemeinde schwieriger einen Platz für ihr Kind in ihrer nächstlegenden Kindertagesstätte finden. Denn sie müssten aufgrund der vergrößerten Gemeindefläche eventuell längere Wege zu Kindertagesstätten, die zu ihrer neuen Gemeinde gehören und in denen ihre Kinder vorrangig einen Platz erhalten können, in Kauf nehmen. Gerade junge Eltern könnten allerdings besonders auf eine wohnortsnahe Kinderbetreuung bzw. eine solche mit guter Anbindung an den ÖPNV angewiesen sein.
  • Künftig soll sich im Rahmen der Gemeindeneugliederung die Landkreiszugehörigkeit ein-zelner Ortsteile von Gemeinden ändern (§§ 3 Abs. 2 S. 1; 9 Abs. 3 S. 1, Abs. 4; 12 Abs. 4 ThürGNGG 2024). Das könnte für Schülerinnen und Schüler betroffener Schulen zu Unsicherheiten bezüglich ihres Schulbesuchs führen. Denn die Landkreise sind als Schulträger für das Vorhalten des notwendigen Schulangebots verantwortlich. Mit dem Landkreiswechsel könnte es daher zu Änderungen kommen. Diese Unsicherheit könnte gerade den Schul-alltag in Abschlussklassen erschweren.

Betroffene Gruppen junger Menschen

Normadressatinnen und -adressaten sind in der für den Jugend-Check Thüringen relevanten Altersgruppe junge Menschen, die bei den Gemeinden, Verwaltungsgemeinschaften und Landkreisen arbeiten, die von den Neugliederungen im vorliegenden Gesetz betroffen sind. Dies können sowohl junge Auszubildende als auch junge Tarifbeschäftigte sein.

Betroffen sind zudem junge Einwohnerinnen und Einwohner der Gemeinden, welche von der Gemeindeneugliederung im vorliegenden Gesetz betroffen sind. In Thüringen sind acht Prozent der Bevölkerung zwischen 15 und 25 Jahre alt. In den betroffenen Landkreisen ist die Verteilung ähnlich bzw. liegt leicht darunter (vor allem Landkreis Greiz mit sieben Prozent junge Menschen von 15 bis 25 Jahren).6 Besonders betroffen sind dabei junge Eltern. Zudem sind insbesondere Schülerinnen und Schüler betroffen, die in Gemeinden leben, welche neuen Landkreisen zugeordnet werden sollen. Auch junge Menschen in den Hilfen zur Erziehung nach dem Achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII), die in Gemeinden leben, welche neuen Landkreisen zugeordnet werden sollen, sind besonders betroffen.

Betroffene Lebensbereiche

Bildung/Erziehung/Arbeit, Familie, Freizeit/Kultur

Auswirkungen auf junge Menschen

Änderung kommunaler Ausbildungs- und Beschäftigungsverhältnisse: Übergang, Sicherung und Beteiligung

§§ 1 Abs. 1 und Abs. 2; 2 Abs. 1 und Abs. 2; 3 Abs. 1 – 4; 4 Abs. 1; 5 Abs. 1 und Abs. 2; 6 Abs. 1 und Abs. 2; 7 Abs. 1; 8 Abs. 1; 9 Abs. 1 – 4; 14 Abs. 1 – 5, Abs. 8 S. 1; 20 Abs. 1 ThürGNGG 2024

Die Neuregelung soll solche Gemeinden, die freiwillig einen Antrag auf Neugliederung gestellt haben und deren Neugliederung aus Sicht der Landesregierung dem öffentlichen Wohl entspricht,7 auflösen und in andere bestehende Gemeinden eingliedern oder neue Gemeinden bilden, vgl. §§ 1 Abs. 2; 2 Abs. 2; 3 Abs. 1 – 4; 4 Abs. 1; 5 Abs. 2; 7 Abs. 1; 8 Abs. 1; 9 Abs. 1 und Abs. 4ThürGNGG 2024. Hierdurch sollen sich teilweise auch die Zugehörigkeit zu Verwaltungsgemeinschaften und Landkreisen ändern, vgl. §§ 1 Abs. 1; 2 Abs. 1; 3 Abs. 2; 5 Abs. 1; 6 Abs. 1 und Abs. 2; 9 Abs. 2 und Abs. 3 ThürGNGG 2024.

Tarifbeschäftigungen und Ausbildungsverhältnisse aus den aufzulösenden Gemeinden sollen in die neu gebildeten bzw. erweiterten Gemeinden überführt werden, vgl. § 14 Abs. 1 ThürGNGG 2024. Nach der Neuregelung sollen zudem anteilig Tarifbeschäftigte8 von aufzulösenden Gemeinden, die in mehrere andere Gemeinden eingegliedert werden, unter Berücksichtigung der mitgeteilten Präferenzen sowie Kriterien wie z.B. Mobilität, Betreuung oder Pflege eines minderjährigen Kindes oder anderen pflegebedürftigen Angehörigen verteilt werden, vgl. § 14 Abs. 2 ThürGNGG 2024.

Eine entsprechende Verteilung soll auch bei der Auflösung und Neugliederung von Verwaltungsgemeinschaften vorgenommen werden, vgl. § 14 Abs. 3 ThürGNGG 2024. Die Personalverteilung soll durch Verträge zwischen den beteiligten Gemeinden und Verwaltungsgemeinschaften bis sechs Monate nach der Neugliederung geregelt werden, vgl. § 14 Abs. 2 S. 2; Abs. 3 S. 1 ThürGNGG 2024. Sollten die Beteiligten keinen solchen Vertrag rechtzeitig abschließen, entscheidet das Landesverwaltungsamt, nach Anhörung der betroffenen Personen, über die Verteilung, vgl. § 14 Abs. 4 ThürGNGG 2024.

Zudem sollen mit der Neuregelung Tarifbeschäftigungen und Ausbildungsverhältnisse von anderen Landkreisen übernommen werden, wenn sich durch die Neugliederungen die Aufgaben der Beschäftigten vollständig auf diese Landkreise verschieben, vgl. § 14 Abs. 5 ThürGNGG 2024. Für Tarifbeschäftigte und Auszubildende deren Aufgabenbereiche nur teilweise auf einen anderen Landkreis übergehen, sollen die beteiligten Landkreise in den abzuschließenden Auseinandersetzungsverträgen Vereinbarungen zur Personalverteilung schließen können, vgl. § 20 Abs. 1 ThürGNGG.9

Die Neuregelung soll ferner betriebsbedingte Kündigungen aus Gründen, die im Zusammenhang mit den Neugliederungen stehen, für drei Jahre ab dem Zeitpunkt des Übergangs des Arbeitsverhältnisses ausschließen, vgl. § 14 Abs. 8 S. 1 ThürGNGG.

Die Übertragung des Ausbildungsverhältnisses auf eine andere Gemeinde könnte sich auf die Ausbildungsbedingungen von jungen Auszubildenden in den Gemeindeverwaltungen der be-troffenen Gemeinden auswirken. Junge Menschen können sich hier zum Beispiel zur Verwaltungs-fachangestellten, zum Straßenwart oder zur Gärtnerin mit Fachrichtung Garten- und Landschafts-bau ausbilden lassen. Durch die Übertragung könnte es für junge Auszubildende in der Gemein-deverwaltung zu einem Wechsel der Ausbilderin oder des Ausbilders kommen. Dies könnte gerade in denjenigen Gemeinden der Fall sein, wo die Beschäftigten der aufzulösenden Gemeinde auf verschiedene Gemeinden aufgeteilt werden. Die Beziehung zwischen den Auszubildenden und der jeweiligen Ausbilderin bzw. dem jeweiligen Ausbilder spielt allerdings eine zentrale Rolle auf dem Weg zum erfolgreichen Abschluss einer Ausbildung. Junge Auszubildende könnten durch den Wechsel und den damit ggf. verbundenen Wegfall einer zentralen Begleitungs- und Vertrau-ensperson in ihrem Ausbildungsprozess verunsichert werden, was den weiteren Ausbildungsver-lauf destabilisieren könnte. Besonders wenn die Aufgaben der jungen Auszubildenden zudem durch die Aufteilung der Gemeinde auf verschiedene Gemeinden nur zum Teil weiter bestehen und daher neu aufgeteilt werden müssen, könnte es für junge Auszubildende zu Unsicherheiten kommen, wo und wie sie nach der Neugliederung beschäftigt sein werden. Dieselben Unsicherhei-ten können sich für junge Auszubildende ergeben, die in betroffenen Verwaltungsgemeinschaften oder Landkreisen tätig sind und deren Aufgaben durch die Neugliederungen ganz oder teilweise auf andere Verwaltungsgemeinschaften oder Landkreise verteilt werden. Eine besondere Berück-sichtigung der Beziehung der jungen Auszubildenden zu ihrer jeweiligen Ausbilderin bzw. ihrem jeweiligen Ausbilder könnte diese jungen Menschen dabei unterstützen, den Übergang in die ver-änderte Ausbildungssituation in der neuen Gemeinde gelingend zu gestalten. Die mögliche Unsi-cherheit die junge Auszubildende spüren könnten, würde womöglich besonders in den Fällen stark wirken, in denen sich die Gemeinden, Verwaltungsgemeinschaften oder Landkreise nicht auf eine Personalaufteilung innerhalb von sechs Monaten einigen können. Hier wüssten die Betroffenen über einen längeren Zeitraum nicht sicher, wo sie ihre Ausbildung dann weiterführen und später abschließen werden.

Auch der Ausschluss von betriebsbedingten Kündigungen im Zusammenhang mit den Neugliederungen für die Dauer von drei Jahren ab dem Zeitpunkt des Übergangs des Arbeitsverhältnisses könnte sich auf junge Beschäftigte der betroffenen Gemeinden, Verwaltungsgemeinschaften und Landkreise auswirken. Denn junge Beschäftigte könnten sich vermehrt Sorgen um ihre Übernahme nach Ende der Ausbildung machen, da sie aufgrund des auslaufenden Ausbildungsverhältnisses nicht denselben Schutz ihres Arbeitsplatzes für drei Jahre genießen wie ihre Kolleginnen und Kollegen, sondern nur bis zum Ende des Ausbildungsvertrags. Zwar liegt Thüringen bundesweit auf dem zweiten Platz der Angebots-Nachfrage-Relation von Ausbildungsplätzen zu Ausbildungssuchenden10; zudem werden in den nächsten zehn Jahren ca. 30 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst der Kommunen ausscheiden,11 was auf eine erhöhte Chance auf eine Weiterbeschäftigung nach Ausbildungsende hindeutet. Werden junge Auszubildende allerdings nicht übernommen, könnte es für sie schwierig sein, aufgrund der ländlichen Struktur der betroffenen Gebiete12 alternative Arbeitsplätze zu finden.

Die Gemeindeneugliederungen könnten für junge Auszubildende und minderjährige Beschäftigte zudem zu mehr Beteiligungsmöglichkeiten führen. Denn wenn nach der Eingliederung mindestens fünf Beschäftigte vorhanden sind, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder sich in einer beruflichen Ausbildung befinden, müssten Jugend- und Auszubildendenvertretungen gebildet werden.13 Wenn Gemeinden zusammengelegt werden, gibt es eventuell erstmals genug junge Beschäftigte für eine solche Vertretung. Auch ist es möglich, dass durch die Eingliederung in einen größeren Landkreis junge Auszubildende der einzugliedernden Gemeinden erstmals von den vorhandenen Strukturen der Jugend- und Auszubildendenvertretung der aufnehmenden Gemeinde profitieren könnten. Dies kann die Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte der jungen Auszubildenden der Kommunen stärken. Junge Beschäftigte könnten dann von einer erhöhten Aufmerksamkeit für ihre Belange profitieren.

Mögliche Verlängerung der Anfahrtswege und Änderung der Kosten der Kindertagesbetreuung

§ 12 Abs. 1 und Abs. 2 ThürGNGG 2024

Die Neuregelung soll festlegen, dass das bisher geltende Ortsrecht der Gemeinden, die von  den Neugliederungen betroffen sind, überwiegend weiter gilt, bis es durch das Ortsrecht der aufnehmenden oder neuen Gemeinde ersetzt wird, vgl. § 12 Abs. 1 und Abs. 2 ThürGNGG 2024. So sollen dann z.B. die Benutzungsordnungen für Tageseinrichtungen für Kinder der aufnehmenden Gemeinde gelten. Diese regeln u.a., welche Kinder berechtigt sind, die Kindertageseinrichtung zu besuchen. Hier besteht oft Vorrang für die Kinder der eigenen Gemeinde.14

Durch die Gemeindeneugliederung könnten junge Eltern aus einer sich auflösenden Gemeinde schwieriger einen Platz für ihr Kind in ihrer nächstlegenden Kindertagesstätte finden. Denn sie müssten aufgrund der vergrößerten Gemeindefläche eventuell längere Wege zu Kindertagesstätten, die zu ihrer neuen Gemeinde gehören und in denen ihre Kinder vorrangig einen Platz erhalten können, in Kauf nehmen. Gerade junge Eltern könnten allerdings besonders auf eine wohnortsnahe Kinderbetreuung bzw. eine solche mit guter Anbindung an den ÖPNV angewiesen sein. Denn   junge Menschen nutzen im Alltag öfter als ältere öffentliche Verkehrsmittel oder gehen zu Fuß.15 Aufgrund des tendenziell geringeren Einkommens junger Menschen16, könnten für diejenigen junge Eltern mit eigenem Auto zudem höhere Spritkosten aufgrund längerer Anfahrtswege bei einer Anfahrt mit dem PKW  besonders ins Gewicht fallen.

Besonders betroffen könnten junge Eltern sein, deren Gemeindegebiet auf mehrere aufnehmende Gemeinden aufgeteilt wird, wie z.B. bei der Gemeinde Rodeberg.17 Ist eine Kindertagesstätte bereits mit Kindern aus der aufnehmenden Gemeinde voll, könnten junge Eltern im Ortsteil der aufgelösten Gemeinde, welcher nun einer anderen Gemeinde angegliedert wird, dort schwieriger einen Kitaplatz bekommen. Sie müssten dann ggf. auf eine Kindertagesstätte in einem Ortsteil der neu gebildeten größeren Gemeinde ausweichen.

Zudem könnte die Gemeindeneugliederung und eine damit einhergehende Anpassung der Satzungen für Kindertageseinrichtungen auch zu einer Veränderung der Gebühren für die Benutzung der Tageseinrichtungen für Kinder in kommunaler Trägerschaft führen. So betragen beispielsweise die Gebühren in der Gemeinde Rodeberg für die Betreuung eines Kindes ab einem Jahr bis zu 175 Euro pro Monat für eine tägliche Betreuung für bis zu neun Stunden; in der Stadt Dingelstädt, zu welcher der Rodeberger Ortsteil Struth wechseln soll, liegen die Gebühren für dieselbe Betreuung laut Satzung bei bis zu 219 Euro pro Monat.18 Gerade junge Menschen verfügen allerdings oft über ein geringes Einkommen.19 Die Anpassung der Satzungen im Bereich der Kindertageseinrichtungen durch die Gemeindeneugliederung könnte daher eine finanzielle Mehrbelastung für junge Eltern, welche ihre Kinder in kommunalen Kindertageseinrichtungen betreuen lassen möchten, zur Folge haben. Andererseits könnten junge Eltern bei Zuordnung zu einer Gemeinde mit niedrigeren Kitagebühren finanziell entlastet werden.

Mögliche Unsicherheiten durch neue Zuständigkeiten in den Bereichen Jugend und Schule

§§ 3 Abs. 2 S. 1; 9 Abs. 3 S. 1, Abs. 4; 12 Abs. 4 ThürGNGG 2024

Die Neuregelung soll teilweise die Landkreiszugehörigkeit aufzulösender Gemeinde ändern, vgl. §§ 3 Abs. 2 S. 1; 9 Abs. 3 S. 1 ThürGNGG 2024. So soll der Ortsteil Struth der hierbei aufgelösten Gemeinde Rodeberg aus dem Landkreis Unstrut-Hainich-Kreis in die Stadt Dingelstädt im Landkreis Eichsfeld eingegliedert werden, vgl. § 3 Abs. 2 S. 1 ThürGNGG 2024. Die Gemeinde Hallungen aus dem Wartburgkreis soll aufgelöst und in die Gemeinde Südeichsfeld im Unstrut-Hainich-Kreis eingegliedert werden, vgl. § 9 Abs. 3 S. 1, Abs. 4 ThürGNGG 2024.

Entsprechend soll das bisher geltende Kreisrecht für Gemeinden, deren Landkreiszugehörigkeit sich ändert, bis zur Geltung des Kreisrechts des neuen Landkreises fortgelten, vgl. § 12 Abs. 4 ThürGNGG 2024.

Ändert sich aufgrund des vorliegenden Gesetzentwurfs die Landkreiszugehörigkeit der Gemeinden bzw. einzelner Ortsteile, kann dies für Schülerinnen und Schüler betroffener Schulen zu Unsicherheiten bezüglich ihres Schulbesuchs führen. Denn die Landkreise (und kreisfreien Städte) sind als Schulträger für das Vorhalten des notwendigen Schulangebots und der erforderlichen Schulanlagen verantwortlich.20 Da dem Schulträger auch die Festlegung der Schulbezirke21 obliegt, könnten diese Änderungen dazu führen, dass für Schülerinnen und Schüler nach der Neugliederung andere Schulen zuständig sind.22 Dies und die Ungewissheit, ob sich etwas aktuell oder zukünftig ändert, könnte zu Unsicherheiten bei den Schülerinnen und Schüler führen. Das dürfte besonders für die Schülerinnen und Schüler der Gemeinschaftsschule im Rodeberger Ortsteil Struth relevant sein, da diese nach der geplanten Änderung in das Gebiet des Landkreises Eichsfeld wechseln würde23 und sich somit ihre Schulträgerschaft ändert. So beschwichtigt zwar eine Informationsbroschüre der Stadt Dingelstädt, dass die Schule im Ortsteil Struth auch nach der Eingliederung des Ortsteils fortbestehe.[v]24 Insbesondere für Schülerinnen und Schülern der Abschlussklassen könnten sich solche Unsicherheiten bezüglich der Sicherstellung des Schulstandorts jedoch erschwerend auf ihren Schulalltag auswirken.

Auch könnte es für Schülerinnen und Schüler, welche in den betroffenen Gemeinden leben, im Rahmen der Schülerbeförderung zu Unsicherheiten kommen. Denn wenn ihre Wohnadresse nun zu einem neuen Landkreis gehört, so ist dieser auch für ihre Beförderung zuständig.25 Durch die Neuregelung kann es sowohl für diejenigen Schülerinnen und Schüler zu Änderungen kommen, die durch den Landkreis befördert werden, als auch für solche, denen Fahrtkosten erstattet werden.26 Wird der Wechsel im laufenden Schuljahr vollzogen, könnte es bei den betroffenen Schülerinnen und Schülern zu Unklarheiten kommen. Schülerinnen und Schüler könnten dann womöglich beim falschen Landkreis ihren Antrag auf Kostenerstattung stellen oder die Auszahlung könnte sich durch den Behördenwechsel verzögern. Dies könnte besonders Familien mit geringem Einkommen, welche auf die Kostenerstattungen angewiesen sind, vor Herausforderungen stellen.

Durch die Änderung der Landkreiszugehörigkeit der Gemeinden könnte es zudem zu Unsicherheiten bezüglich der Weiterfinanzierung von Angeboten für junge Menschen kommen, welche ihre Grundlage im Jugendförderplan des abgebenden Landkreises haben. Hierzu gehören Angebote der offenen Kinder- und Jugendarbeit (wie z.B. Jugendräume), der Jugendsozialarbeit (wie z.B. Angebote zum Übergang zwischen Schule und Beruf) und der Jugendverbandsarbeit.27 Studienergebnisse weisen darauf hin, dass jungen Menschen im ländlichen Raum im Gegensatz zu jungen Menschen in urbanen Gebieten weniger Möglichkeiten der Freizeitgestaltung haben28 und ihnen Treffpunkte für Jugendliche an ihren Wohnorten fehlen.29 Werden bestehende Angebote und ihre jeweilige Finanzierung nicht in den Jugendförderplan des aufnehmenden Landkreises integriert und die notwendige Finanzierung dieser Angebote gesichert, könnten bestehende Angebote wegfallen. Junge Menschen könnten dann weniger Möglichkeiten der niederschwelligen wohnortnahen Freizeitgestaltung haben. Diese sind allerdings gerade für junge Menschen wichtig, denn Angebote der Kinder- und Jugendarbeit können jungen Menschen Möglichkeitsräume und Treffpunkte bieten,30 welche sie bei den in der Jugendphase zentralen Herausforderungen der Verselbstständigung und Selbstpositionierung31 unterstützen können. Hierbei spielt auch der Zugang zu sozialpädagogischen Unterstützungs- und Begleitungsangeboten eine Rolle.32 Zu diesen könnten junge Menschen schwieriger Zugang finden, wenn diese nicht mehr vor Ort stattfinden bzw. durch Fachkräfte der offenen Kinder- und Jugendarbeit am Wohnort vermittelt werden.

Durch die geplante Änderung des Landkreises könnten sich zudem für junge Menschen, welche im Rahmen der Hilfen zur Erziehung33 Unterstützung in Anspruch nehmen, Auswirkungen ergeben. Denn die Landkreise sind auch Träger der öffentlichen Jugendhilfe.34 So könnte sich durch die geplanten Landkreiswechsel die Ansprechperson im Jugendamt für junge Menschen in den Hilfen zur Erziehung verändern. Dieser Wechsel der Sachbearbeiterin bzw. des Sachbearbeiters und die notwendige Zeit der Einarbeitung dieser sowie die Klärung von Fragen der Kostenübernahme, könnte dazu führen, dass sich die Feststellung des aktuellen Hilfebedarfs und die Erbringung geeigneter Hilfen für junge Menschen verzögern. Durch die Coronapandemie kam es in den vergangenen Jahren bereits teils zu einem eingeschränkten Kontakt zu den jungen Hilfeempfängerinnen und -empfängern, in dessen Zuge u.a. auch Hilfeplangespräche ausgesetzt oder verschoben wurden.35 Junge Menschen, welche vom Jugendamt unterstützt werden, könnten durch die Änderungen der Landkreiszugehörigkeit ihrer Wohnsitzgemeinde nun abermals Verzögerungen in ihrer Unterstützung erfahren. Dies könnte besonders für die vom Landkreiswechsel betroffenen jungen Menschen aus der Gemeinde Hallungen und dem Rodeberger Ortsteil Struth relevant sein.

  1. Der oben genannte Titel des Gesetzentwurfs entspricht dem im Rahmen des ersten Kabinettsdurchgangs am 04.04.2023 geänderten Titel. Der vorliegende Jugend-Check bezieht sich auf den Gesetzentwurf mit dem Titel „Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2024 und zur Anpassung gerichtsorganisatorischer Vorschriften“ vom 29.03.2023, welcher als Vorlage für den ersten Kabinettsdurchgang diente. Die im vorliegenden Jugend-Check genannten Seitenzahlen und Paragrafenangaben beziehen sich auf ebendiesen Entwurf.
  2. Vgl. „Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2024 und zur Anpassung gerichtsorganisatorischer Vorschriften“, 4. April 2023, 4.
  3. Vgl. „Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2024 und zur Anpassung gerichtsorganisatorischer Vorschriften“, 4.
  4. Vgl. „Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2024 und zur Anpassung gerichtsorganisatorischer Vorschriften“, 2.
  5. Zum ThürGNGG 2023 wurde bereits im Jahr 2022 ein Jugend-Check durchgeführt. Aufgrund der Ähnlichkeit der Regelungen bestehen große Überschneidungen bei den beiden Jugend-Checks. Aus Gründen der Vollständigkeit und Übersichtlichkeit wurde dennoch ein vollständiger Jugend-Check zum ThürGNGG 2024 durchgeführt und nicht mit Verweisen gearbeitet. Der Jugend-Check zum ThürGNGG 2023 ist hier verfügbar: https://www.jugend-check-thueringen.de/alle-jugend-checks/gemeindeneugliederungsgesetz/.
  6. Vgl. Thüringer Landesamt für Statistik, „Bevölkerung nach Altersgruppen und Kreisen in Thüringen“, 2021, https://statistik.thueringen.de/datenbank/TabAnzeige.asp?tabelle=kr000103%7C%7C (zuletzt aufgerufen am: 02.05.2023).
  7. Vgl. „Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2024 und zur Anpassung gerichtsorganisatorischer Vorschriften“, 2.
  8. Es wird davon ausgegangen, dass Ausbildungsverhältnisse ebenfalls unter den Begriff der Tarifbeschäftigungen in § 14 Abs. 2 – 4 ThürGNGG 2024 fallen. Anders als in § 14 Abs. 1 S. 3 und Abs. 5 S. 3 ThürGNGG 2024 wird die Anwendbarkeit nicht ausdrücklich auf Ausbildungsverhältnisse erweitert. Jedoch wird in § 14 ThürGNGG nicht auf spezifische Tarifverträge, sondern nur grundsätzlich auf Tarifbeschäftigungen abgestellt. Somit dürften auch die tarifvertraglich geregelten Ausbildungsverhältnisse – vgl. § 1 Tarifvertrag für Auszubildende des öffentlichen Dienstes – Allgemeiner Teil (TVAöD-AT) – unter den Begriff der Tarifbeschäftigungen fallen.
  9. Vgl. dazu zudem „Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2024 und zur Anpassung gerichtsorganisatorischer Vorschriften“, 94.
  10. Vgl. Bundesinstitut für Berufsbildung, „Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2022“, Vorabversion (Bonn, 2022), 20.
  11. Vgl. DBB Beamtenbund und Tarifunion, „Monitor öffentlicher Dienst 2022“ (Berlin, 2021), 24, https://www.thueringer-beamtenbund.de/fileadmin/user_upload/www_thueringer-beamtenbund_de/pdf/2022/2022_monitor-oe-d.pdf (zuletzt aufgerufen am: 02.05.2023).
  12. Vgl. „Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2024 und zur Anpassung gerichtsorganisatorischer Vorschriften“, 37.
  13. Vgl. § 57 Thüringer Personalvertretungsgesetz (ThürPersVG).
  14. Vgl. z.B. § 3 der „Satzung über die Benutzung der Kindertageseinrichtung ‚Ich bin Ich‘, Rodeberg der Gemeinde Rodeberg“, Juni 2021.
  15. Vgl. Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, „Mobilität in Deutschland. Ergebnisbericht“ (Bonn, 2018), 50, https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/G/mid-ergebnisbericht.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt aufgerufen am: 02.05.2023).
  16. Vgl. Eurostat, „Durchschnittliches und Median-Einkommen nach Alter und Geschlecht – EU-SILC und ECHP Erhebungen“ (2022, o. J.), https://ec.europa.eu/eurostat/databrowser/view/ilc_di03$DV_405/default/table?lang=de (zuletzt aufgerufen am: 02.05.2023). Daten von 2021 zu den Altersklassen „12 bis 17 Jahre“, „18 bis 24 Jahre“ und „25 bis 54 Jahre”.
  17. Vgl. § 3 ThürGNGG 2024.
  18. Vgl. § 8 Abs. 2 Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung der Tageseinrichtung für Kinder in kommunaler Trägerschaft und die Inanspruchnahme von Verpflegungsangeboten der Gemeinde Anrode und § 8 Abs. 2 Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung der Kindertageseinrichtungen in kommunaler Trägerschaft und die Inanspruchnahme von Verpflegungsangeboten der Stadt Dingelstädt.
  19. So betrug das Medianeinkommen junger Menschen im Alter von 16-24 Jahren im Jahr 2020 in Deutschland 23.907€, für Menschen im Alter von 25-54 Jahren 28.176€. Vgl. Eurostat, „Durchschnittliches und Median-Einkommen nach Alter und Geschlecht – EU-SILC und ECHP Erhebungen“ (zuletzt aufgerufen am: 02.05.2023). Daten von 2021 zu den Altersklassen „12 bis 17 Jahre“, „18 bis 24 Jahre“ und „25 bis 54 Jahre”.
  20. Vgl. § 13 Abs. 2 S. 1, 2 Thüringer Schulgesetz (ThürSchulG).
  21. Im Einvernehmen mit dem zuständigen Ministerium, vgl. § 14 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 ThürSchulG.
  22. Der Wohnsitz der Schülerinnen und Schüler in einem Schulbezirk regelt, welche Schule für diese zuständig ist. Vgl. § 14 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 ThürSchulG.
  23. Vgl. „Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2024 und zur Anpassung gerichtsorganisatorischer Vorschriften“, 56 ff.; vgl. Stadt Dingelstädt, „Starkes Struth in einer starken Gemeinschaft. Bürgerinformation zur Gemeindefusion“, o. J., 14 f., https://www.dingelstaedt.de/wp-content/uploads/Buergerbroschuere_Struth_komprimiert2.pdf (zuletzt aufgerufen am: 02.05.2023).
  24. Vgl. Stadt Dingelstädt, „Starkes Struth in einer starken Gemeinschaft. Bürgerinformation zur Gemeindefusion“, 14f.
  25. Vgl. § 4 Abs. 1 S. 1, 2 Thüringer Gesetz über die Finanzierung der staatlichen Schulen (ThürSchFG).
  26. Vgl. § 4 Abs. 3 S. 1 ThürSchFG.
  27. Vgl. z.B. Unstrut-Hainich-Kreis, „Jugendförderplan des Unstrut-Hainich-Kreises für den Zeitraum 2023-2027“ (Mühlhausen, 2022), https://unstrut-hainich-kreis.de/index.php/downloads/file/1160-jugendfoerderplan-2023-2027 (zuletzt aufgerufen am: 02.05.2023).
  28. Vgl. BT-Drucksache 18/11050, „15. Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland“ (Berlin, 2017).
  29. Vgl. Wolfgang Antes, Udo Wenzl, und Stefanie Wichmann, „Jugend im Ländlichen Raum Baden-Württembergs. Aufwachsen – Mitgestalten – Leben“ (Sersheim: Jugendstiftung Baden-Württemberg, 2022), 31, https://www.jugendstiftung.de/wp-content/uploads/2022/01/Studie_Land_220110.pdf (zuletzt aufgerufen am: 02.05.2023); vgl. Unstrut-Hainich-Kreis, „Jugendförderplan des Unstrut-Hainich-Kreises für den Zeitraum 2023-2027“, 10 (zuletzt aufgerufen am: 02.05.2023).
  30. Vgl. BT-Drucksache 18/11050, „15. KJB“, 394.
  31. Vgl. BT-Drucksache 18/11050, 98.
  32. Vgl. BT-Drucksache 18/11050, 394.
  33. Vgl. §§ 27-35 SGB VIII.
  34. Vgl. § 1 Thüringer Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetz (ThürKJHAG).
  35. Vgl. Bundesnetzwerk der Interessenvertretungen in der Kinder- und Jugendhilfe, „Positionspapier. Wir brauchen eine Politik, die sich was traut! Es braucht auch in Coronazeiten endlich eine jugendgerechte Politik!“, 2022, 4, https://www.gehoert-werden.de/media/filer_public/dc/cf/dccfae7a-8c8c-42f8-b17b-6fc9682ae1dd/bundi_wir_brauchen_eine_politik_die_sich_was_traut.pdf (zuletzt aufgerufen am: 02.05.2023).